Kurzbeschreibung
1933 reist der junge Frederick Watson ins französische Toulouse. Dort sucht er einen Antiquar auf, der die alte Sprache des Südens beherrscht: Okzitanisch. Denn in Fredericks Besitz befindet sich ein alter, geradezu antiker Brief, der in Okzitanisch verfasst ist. Seit fünf Jahren trägt Frederick diesen Brief mit sich herum, seit er in einem kleinen Dorf die geheimnisvolle Fabrissa kennengelernt hatte. Vom ersten Augenblick an schien zwischen ihnen etwas Besonderes zu sein doch dann war sie plötzlich verschwunden. Niemand konnte sich an Fabrissa erinnern, und bei der Suche nach ihr war Frederick nur auf diesen uralten Brief gestoßen, der eindeutig für ihn bestimmt war ...
Meine Meinung:
Ein wundervolles, beeindruckendes Buch!
Frederick Watson ist ein junger Mann, der nach dem Verlust des geliebten Bruders im 1. Weltkrieg zwischen Trauer, Verlorenheit, Lebensüberdruss und dem Wunsch nach eigener Zukunft gefangen ist. Mit diesen schweren Begleitern im Handgepäck reist er 1928 von England nach Frankreich, wo er in den Bergen von einem plötzlichen Wintereinbruch überrascht wird und verunfallt. Zu Fuß gelangt er in das Dörfchen Nulle, das just an diesem Tage sein jährliches Dorffest feiert. Dort trifft er auf Fabrissa, die in ihm wie in einem offenen Buch zu lesen scheint. In dieser einen Nacht erzählen sie einander ihre Lebensgeschichten, bis der erwachende Morgen sie unwiderruflich trennt.
Wir treffen fünf Jahre später auf Frederick, als er erneut nach Frankreich reist, um dem Geheimnis jener Nacht und der schönen Fabrissa auf die Spur zu kommen, und begleiten ihn zu einem Antiquar dem er an einem Nachmittag seine Geschichte erzählt. Kann die Übersetzung eines in seinen Besitz geratenen Briefes in einer alten Sprache der Schlüssel für ihn sein?
Frederick ist ein Mann, der für die Generationen an Vätern, Söhnen und Brüdern steht, die mit den Verlusten der Kriege zu leben lernen mussten. Das Buch entführt uns gekonnt in diese Zeit, transportiert die Atmosphäre wunderbar, diese Gedankengänge, die Schuldgefühle, den Kummer. All das wird so einfühlsam dargeboten, dass die Geschichte und die Kulissen vor dem geistigen Auge real zu werden scheinen. Man kann die Zeit riechen, die Kälte spüren und den Nebel sehen. Auch seine Momente „zwischen den Zeiten“ sind geschickt eingeflochten und entbehren, Gott sei Dank, einer mystischen Verklärung.
Tief beeindruckt hat mich die Sprache. Sie trägt, sie ist poetisch und eingängig, prägnant und ergreifend, ohne jemals ins Kitschige abzugleiten. Sätze wie „Zeit dehnt sich und schrumpft, bleibt nicht stehen, wenn wir es am meisten brauchen“ bleiben bei einem, auch wenn man das Buch schon lang zugeklappt hat. Auch ohne das englische Original zu kennen, möchte ich ein ausdrückliches Lob an die Übersetzer richten, die eine wundervolle Arbeit geleistet haben!
Für mich ist „Wintergeister“ das Buch des Jahres. Es hatte es bereits nach nur 50 Seiten geschafft, sich in meine persönliche Bestenliste ganz nach oben zu katapultieren. Die perfekte Lektüre auch speziell für diese Jahreszeit, wenn der Novembernebel um das eigene Haus wabert!