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Julia Franck: Die Mittagsfrau

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Julia Franck: Die Mittagsfrau

Beitragvon Nina » 7. Januar 2008, 14:24

Aus der Amazon.de-Redaktion:
Als der siebenjährige Peter in der Küche in seinem improvisierten Bettchen liegt, singt Frau Kozinska durch die Risse im Boden in der Wohnung unten. Die Russen, die neuerdings bei ihr wohnen, halten sie nicht davon ab. Dann reißt die Mutter Peter unsanft aus seinen Träumen. Er müsse zur Schule, sagt sie, der Lehrer Fuchs warte. Aber der Lehrer wartet schon lange nicht mehr auf jeden Schüler, seit die Schule zerbombt und in den Milchladen von Fuchs’ Schwester umgezogen ist. Der Krieg ist verloren, Hoffnungslosigkeit hat sich breit gemacht. Was soll man da noch lehren und lernen?
In Die Mittagsfrau entrollt die 37-jährige Berliner Autorin Julia Franck ihre Geschichte, die vor den ersten Weltkrieg zurück reicht, vom Ende her. Mit ihrem Sohn Peter geht Helene, deren unbeschwerte Kindheit in der Lausitz 1918 abrupt beendet wurde, 1945 wie fast jeden Tag zu einem Bahnhof in Vorpommern, um vor den Russen Richtung Berlin zu fliehen. Am Bahnhof lässt sie Peter stehen und verschwindet: die traurige Konsequenz eines Lebens, dass selbst kaum Liebe erfahren hat und dem von daher auch die kindliche Liebe unerträglich wird. Von den Männern enttäuscht und von der Familie verlassen, fasst Helene einen Entschluss, der so grausam ist wie die Schicksalsschläge, die sie selbst erlitten hat...

Offenbar gibt es heute nichts mehr zu erzählen. Nur so lässt sich erklären, warum auch die jüngste Generation deutscher Autorinnen und Autoren literarisch immer wieder zum Krieg und seinen Schrecken Zuflucht nimmt. Solange dies allerdings auf so blendende Art und Weise wie bei Julia Franck geschieht, will und kann man sich nicht beschweren. Die Mittagsfrau jedenfalls entwirft am Einzelschicksal ein grandioses Panorama einer erbarmungslosen Zeit. Unbedingt lesenswert. -- Stefan Kellerer

kulturnews.de:
Nun hat Julia Franck also den Deutschen Buchpreis 2007 bekommen. Kein Wunder, denn Buchmarkt und Feuilleton gieren zurzeit nach menschelnden Jahrhundertschauen. Historische Familienromane sind Trendthema - und mit "Die Mittagsfrau" liefert Julia Franck eine Chronik über zwei Weltkriege und die Zeit dazwischen. Bei der Flucht aus Pommern setzt Krankenschwester Helene ihren siebenjährigen Sohn auf einem Bahnsteig aus. Per Rückblende folgt die Biografie einer Mutter, die zu dieser Tat fähig ist: Da ist die Kindheit in der Lausitz, mit einem Vater, der schwer verletzt aus dem Ersten Weltkrieg zurückkehrt, und einer gefühlskalten Mutter. Es folgt der Umzug zur Tante nach Berlin, wo Helene gemeinsam mit ihrer Schwester Martha die üblichen Ausschweifungen der Goldenen Zwanziger mitnimmt. Als ihre große Liebe, der Philosophiestudent Carl, tödlich verunglückt, zerbricht Helene. Apathisch gibt sie einige Zeit später dem Werben des Nazis Wilhelm nach, durchleidet die Ehehölle - und bekommt einen Sohn. Liest man "Die Mittagsfrau" als Psychogramm einer zerstörten Frau, dann zählt Julia Francks Roman ganz sicher zu den Höhepunkten der Saison. Es sind Detailbeobachtungen, die minutiös beschriebenen Empfindungen der Protagonistin, die sogar Klischeefiguren wie Nazi Wilhelm als das personifizierte Böse rechtfertigen. Als Zeitporträt aber ist dieses Buch so schlecht wie ein dreiteiliger TV-Film. Julia Franck macht sich gar nicht erst die Mühe, überstrapazierte Bilder zu vermeiden und einen innovativen Blickwinkel auf die Geschichte zu finden. Sie nutzt die Klischees als Versuchsanordnung, um von gesellschaftlichem Außenseitertum und seelischer Erkaltung zu erzählen. Und damit hat sie dem Trend ein Schnippchen geschlagen. (cs)

Meine Meinung:
Der Kommentar der Kulturnews trifft es für mich sehr gut. Ein wirklich lesenswertes Buch!
(Tigo, das dürfte was für Dich sein, nicht zuletzt weil es teilweise in Bautzen spielt!)
Viele Grüße von Nina!
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Re: Julia Franck: Die Mittagsfrau

Beitragvon Summi » 7. Januar 2008, 14:34

*notiert* Danke für den Tipp :)
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Re: Julia Franck: Die Mittagsfrau

Beitragvon Tigo » 7. Januar 2008, 14:34

Karin hat es mir genau deswegen zu Weihnachten geschenkt. :D Es liegt auf dem SUB und wartet darauf, dass meine Stimmung in Puncto Lesekost auf dieses Genre umschlägt. :D
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Re: Julia Franck: Die Mittagsfrau

Beitragvon yuva » 16. April 2009, 14:33

Nach langer Zeit habe ich endlich die innere Ruhe, um wieder zu lesen. Mein erster Griff ging zur "Mittagsfrau". Ich bin noch nicht durch, aber soweit kann ich sagen: Ein interessantes, gutes Buch!!
Liebe Grüße, Ramona

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