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Christiane Ritter - Eine Frau erlebt die Polarnacht - Frösch

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Christiane Ritter - Eine Frau erlebt die Polarnacht - Frösch

Beitragvon Camille » 7. August 2007, 08:14

Autor = Fröschlein

So, da ich jetzt wieder da bin, möchte ich Euch dieses Buch doch noch einmal ans Herz legen:

Diese Rezension hatte ich mal bei Ciao veröffentlicht:

"lass alles stehen und liegen und folge mir in die Arktis" (Zitat) mit diesen Worten versuchte der Österreicher Hermann Ritter seine Frau Christiane lange Zeit nach Spitzbergen zu locken. Bis sie sich irgendwann darauf einließ und eine völlige Veränderung an sich selbst erlebte. Diese Erlebnisse schrieb sie dann in Ihrem Buch "Eine Frau erlebt die Polarnacht" nieder.

1933 war es, da machte sich Christiane Ritter auf den Weg, um mit Ihrem Mann und dem norwegischen Pelztierjäger Karl auf Spitzbergen zu überwintern. Sie war sozusagen die erste "Zentraleuropäerin", die sich dieses zum Ziel gesetzt hatte und man munkelte unter den "Überwinterern" schon, wie lange es dauern würde, bis sie überschnappt. Abgesehen mal davon, dass es zu dieser Zeit noch keine Outdoorkleidung a la Jack Wolfskin geschweige denn Handy´s für den Notfall gab, ging sie recht blauäugig an diese Art Herausforderung heran. Trotzdem bewundere ich ihren Mut, sich auch nicht von den Passagieren oder dem Kapitän des Schiffes, das sie nach Spitzbergen brachte, von ihrem Vorhaben abbringen zu lassen. Eine winzige Hütte an der Küste Nord-Spitzbergens, knapp 250 km von der nächsten menschlichen Siedlung entfernt, sollte ihr Quartier für ein Jahr werden. Ohne fließendes Wasser und ohne Strom vermag sich wohl heute kaum jemand solch ein Wagnis vorzustellen. Sie beschreibt in ihrem Buch ihre Sorgen und Ängste ebenso wie die kalte Schönheit Svalbards, wie Spitzbergen auch heißt.

Der tägliche K(r)ampf ums nackte Überleben wird sehr anschaulich und persönlich dargestellt. Schon bald ist sie ergriffen von dem Land, welches man normalerweise mit Kälte, Einsamkeit und auch Grausamkeit verbindet. Ihre Tour mit ihrem Mann ins Landesinnere berichtet vom täglichen Leben eines Pelztierjägers und den kleinen besonderen Freuden eines Spitzbergen-Überwinterers – ein kleiner halbwegs funktionierender Ofen und etwas Seehundspeck. Besondere Erwähnung findet natürlich der Winter in der Polarnacht. Die Sonne zieht sich immer mehr zurück und verschwindet schließlich ganz. Düstere Zeit mit hämmernden Orkanen wechselnd mit absoluter Windstille und Eiseskälte sowie tiefster Schnee halten sie fest. Lange schon gab es kein Seehundfleisch mehr...

"Die Welt liegt in tiefer Dämmerung, aus der sie sich nicht mehr zu erheben vermag. Es ist windstill, und ein durchsichtiger Nebel trägt die Wellen des letzten sterbenden Lichts. Unwirklich und raumlos ist Nähe und Ferne." (Zitat)

Ihre wunderbaren Beschreibungen des Lichtes und der Farben (ja im Schnee gibt es auch Farben!) lassen den Leser das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Ihre Worte sind mit kleinen Federzeichnungen sowie einigen kleinen Aquarellen geschmückt – schließlich ist Christiane Ritter Malerin. So einfühlsam beschrieben offenbart es eine Welt, die der "normal Sterbliche" wohl eher selten besucht. Eben ein Ausflug der ganz besonderen Art.

Was ich allerdings nicht so recht verstanden habe, ist die Tatsache, dass die damals 36-Jährige ihre kleine Tochter für ein Jahr zu Hause zurück gelassen hat. Natürlich hätte sie sie nicht mitnehmen sollen, aber sicher hatte sie ihre Gründe...

Ich gebe zu, dass ich schon fast enttäuscht war, als ich die 188 Seiten gelesen hatte – schon zu Ende? Ich fing sofort wieder von vorn an! Das Buch ist nicht mit einem Abenteuerroman zu vergleichen sondern es ist erlebte Wirklichkeit. Ich empfehle es jedem Nordic-Fan und allen, die es werden möchten. Es ist das richtige Buch für lange Winterabende, obwohl die 188 Seiten nicht wirklich lange reichen. Das ist der einzige "Kritikpunkt" – ich hätte wirklich noch viel mehr lesen wollen. Und bei der aktuellen Temperatur von –10°C momentan ist es die richtige Einstimmung.

Das Buch ist im Ullstein-Verlag als Paperback erschienen (bereits als 17. Auflage!) und kostet nur 7,95 €. Auf den Umschlagseiten ist das Polarmeer mit Packeis zu sehen und darüber geht die Sonne auf.
Camille
 

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